Montag, 30. März 2009

Siddharta


Nach wie vor ist Hermann Hesses Siddharta ein lesenswertes Buch. Aber die Faszination, die es auf Generationen junger Intellektueller ausgeübt hat, ist kaum noch begreiflich. Der hohe Predigerton, um die vorletzte Jahrhundertwende als poetische Kunstsprache en vogue, wirkt heutzutage gestelzt und gespreizt. Die Ausblendung von allen Konflikten, die Ignorierung von Schmutz und Bosheit macht diese indische Biografie zu einem blutleeren Essay. Und doch: Wenn man Siddharta nicht als Roman, sondern als märchenhaftes Lehrstück über den Sinn des Lebens nimmt, wenn man sich auf Stil und Thema einlässt, hat man immer noch seine Freude dran. Ja, man wird ein wenig melancholisch ob der verlorenen Unschuld. Heute würde ein solches Buch von der Literaturkritik als Kitsch deklariert und sein Autor verhöhnt. Um einen Menschen auf seinem Weg zur Heiligkeit zu begleiten, muss man Skepsis und Zynismus beiseite lassen. Können wir das noch? Wir haben verlernt zu bewundern.