Sonntag, 8. März 2009

Selbstdenker


Man glaubt es kaum, aber es gibt sie endlich wieder, die Neuentdecker, die Warum-eigentlich-Frager, die Selbstdenker. Einer von ihnen ist der Innsbrucker Raoul Schrott. Er hat Homers Ilias neu übersetzt, und zwar zum Entsetzen von Archäologen, Altphilologen und Altertumswissenschaftlern in gut lesbarem und durchwegs vergnüglichem Deutsch. Ganz nebenbei hat er auch noch die provozierende These aufgestellt, dass Homer gar kein richtiger Grieche war, sondern ein Migrant aus Kilikien. Den hohen, salbungsvollen Ton bisheriger Homerübersetzungen hält Schrott für ein Missverständnis der Professoren des19. Jahrhunderts, das hartnäckig in den Köpfen und Büchern der Literaturwissenschaft weiterlebt. Der 44-jährige Schrott ist ein begnadeter Sprachkünstler, ein neugieriger Wissenschaftler und ein Kenner der altgriechischen Sprache, der seinesgleichen sucht. Vor allem aber ist er ein Mensch, der die ausgetretenen Wege zu verlassen wagt, um neue Ausblicke zu finden. Und wenn er etwas dumm, falsch oder verbogen findet, sagt er es auch. Natürlich zürnen ihm die sogenannten "Fachgelehrten". Die meisten von ihnen haben sich ja nie zu wissen getraut, dass Respekt leicht zum Feind der Erkenntnis werden kann.