Mittwoch, 30. September 2009

Unangreifbar


"Peter Sloterdijk ist der Versuch, in der Bundesrepublik einen Intellektuellen französischen Zuschnitts zu installieren, einen Formulierungsvirtuosen, Konsensverächter und Konzertredner, der mit Links und Rechts nicht zu fassen ist. Er legt mit treffendem Instinkt und wohligem Grausen Schwachstellen des westlichen Selbstverständnisses frei... Sloterdijk insgesamt anzugreifen, das ähnelt dem Vorhaben, von einer besonders intelligenten Qualle zu verlangen, sie möge endlich klare Kante zeigen."
Lohan Schloeman in der Süddeutschen Zeitung (29.09.09)

Dienstag, 29. September 2009

Fränkli und Freiheit


Am Sonntag wurde Roman Polanski am Züricher Flughafen festgenommen. Er war auf dem Weg zu einem Filmfestival, auf dem er für sein Lebenswerk als Filmregisseur geehrt werden sollte. Auf Grund eines amerikanischen Haftbefehls von 1978 sitzt er nun in Auslieferungshaft. Polanski hatte sich vor über 30 Jahren einem Verfahren wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen durch die Flucht aus den USA entzogen und steht seither auf internationalen Fahndungslisten. Fragwürdig ist seine Festnahme dennoch. Roman Polanski hat jahrelang unbehelligt die Schweiz besucht und dort häufig seinen Urlaub verbracht. Er konnte also davon ausgehen, dass die Schweiz ihn so wenig wie andere kontinentaleuropäische Länder festnehmen würde. Offenbar steckt hinter der Verhaftung mehr als ein Blick auf eine vergilbte Fahndungsliste. Die US-Justiz will an diesem prominenten Fall offenbar zeigen, wie weit ihr Arm reicht. Erst vor kurzem war Polanski in Deutschland und Österreich. Man kann davon ausgehen, dass auch die Justizminister dieser Länder von den USA um die Festnahme des Kultregisseurs gebeten wurden. Sie dürften abgelehnt haben. Warum nun die Schweiz den Büttel spielt, wird man kaum erfahren. Man darf aber vermuten, dass die intensiven Auseinandersetzungen um die Zukunft der Schweizer Großbank UBS in den USA etwas mit dieser Willfährigkeit zu tun haben.

Montag, 28. September 2009

Freundschaftsmaß

Es ist einfach, befreundet zu sein, wenn man dieselben Ziele verfolgt und dieselben Interessen hat. Schwierig wird es, sobald die Unterstützung des Freundes (oder der Freundin) ein Zurückstecken eigener Bestrebungen bedingt. Wahre Freundschaft beweist sich nur in solchen Situationen. Leider ist den meisten dann das eigene Hemd näher als der Rock des anderen. Es gibt aber auch Freundschaft, die so einen Konflikt mit dem Beweis von Loyalität beendet. Der Wert einer Freundschaft wird gewogen an der Schwere des ihr gebrachten Opfers.

Sonntag, 27. September 2009

Wahlempfehlung


"Wenn du durchaus nur die Wahl hast zwischen einer Unwahrheit und einer Grobheit, dann wähle die Grobheit; wenn jedoch die Wahl getroffen werden muß zwischen einer Unwahrheit und einer Grausamkeit, dann wähle die Unwahrheit."
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 - 1916)

Samstag, 26. September 2009

Effektivität


Gestresste Menschen in den verschiedensten Positionen besuchen teuer bezahlte Seminare, um effektiver zu werden. Das sogenannte Time-Management erforscht Wege und Methoden, wie man mehr Aufgaben in kürzerer Zeit erledigen kann. Doch die Beschleunigung und Erhöhung der Zahl von Aufgabenlösungen ist nur sinnvoll, wenn man die richtigen Aufgaben löst. Wer pausenlos Wein auf Flaschen füllt, könnte trotz allem Fleiß keinen Erfolg haben. Im Fass könnte nämlich statt Wein nur Essig sein.

Freitag, 25. September 2009

Überhang



Einige Stücke Bonner Republik hängen ärgerlicherweise noch über in das gewandelte Deutschland. Dazu gehört unser Wahlsystem. Nach den Erfahrungen der Weimarer Zeit hat der Verfassungskonvent 1948 lange darum gerungen. Nie wieder sollten Populismus und Parteizersplitterung eine deutsche Demokratie ruinieren. Das reine Mehrheitswahlrecht der Engländer und US-Amerikaner wollte man allerdings auch nicht übernehmen. Es garantiert zwar klare Sieger, lässt aber die Verlierer unverhältnismäßig schlecht aussehen. Ein reines Verhältniswahlrecht führt andererseits zu jener Zersplitterung, die den Untergang der Weimarer Republik erst möglich gemacht hat. Man fand einen Kompromiss: Jeder Bürger erhält zwei Stimmen. Mit der ersten wählt er den Abgeordneten seines Bezirks direkt nach dem Mehrheitswahlrecht, und nur der mit den meisten Stimmen kommt ins Parlament. Mit der zweiten Stimme wählt er seine Partei, wobei jede Stimme zählt. Das funktionierte 60 Jahre hervorragend, auch wenn im Endergebnis das Verhältnis der Abstimmung leicht verfälscht wurde durch einige direkt gewählte Abgeordnete, die man nicht deswegen ausschließen konnte, weil ihre Partei nicht so gut abgeschnitten hatte. Diese "Überhangmandate" werden neuerdings als "ergaunerte Mehrheiten" diskriminiert, die eine Parlamentsmehrheit "illegitim" machten. Die Verfassungsgeber, durchwegs ehrenwerte Männer und Frauen, dürften sich im Grabe drehen. Genau diese Diskrepanz zum reinen Verhältniswahlrecht hatten sie ja gewollt. Doch wir leben inzwischen in einem Staat, der mit seinem Grundgesetz nicht mehr zufrieden ist. Nach und nach werden Rechts- und Persönlichkeitsschutzgarantien aufgeweicht oder ganz abgeschafft. Warum nicht auch das alte Wahlrecht? Ist doch nur ärgerlich.

Donnerstag, 24. September 2009

Überwurf


"Idealismus ist die edle Toga, die sich Politiker überwerfen, um ihren Willen zur Macht zu drapieren."
Aldous Huxley

Mittwoch, 23. September 2009

Königsposition


Man kann sagen, Angela Merkel führe einen langweiligen, beziehungsweise gar keinen Wahlkampf. Möglicherweise tut sie jedoch genau das Richtige. Der renommierte Rhetoriktrainer Michael Rossié warnt jedenfalls alle etablierten Teilnehmer einer Diskussion vor der Versuchung, sich allzu lebhaft zu engagieren. "Der König kämpft nicht," lautet seine Instruktion, "der König rechtfertigt sich nicht." Wenn er es doch tut, untergräbt er seine eigene Position. Ein Amtsinhaber soll sich locker zurücklehnen und die anderen strampeln lassen. Rossié dürfte mit der Kanzlerin höchst zufrieden sein.

Dienstag, 22. September 2009

Zynismus als Grundhaltung


Slavoj Zizek bemerkte neulich in einem Interview: "So funktioniert unsere Welt heute: Auf zynischem Weg. Früher nahm man Dinge ernst, versteckte seine Ironie. Heute ist es umgekehrt. Das Beste ist: Man merkt das nicht! Man denkt, man mache sich über etwas lustig, aber nimmt es in Wahrheit sehr ernst. Anders kann man heute nicht. Es gibt eine Anekdote über den Physiker Niels Bohr. Der hatte ein Hufeisen über seiner Haustür, das ja Glück bringen soll. Man fragte ihn: Sind Sie abergläubisch? Er sagte: Natürlich nicht, ich bin Wissenschaftler. Aber man hat mir gesagt, dass es trotzdem funktioniert." Dem Journalisten, der das Interview führte, dürfte das von Zizek beobachtete Phänomen nicht unbekannt gewesen sein. Zumindest in Europa gibt es kaum noch eine Zeitungsmeldung oder Bildunterschrift, die ohne zynischen Unterton auskommt. Oft gerät der zur dümmlichen Häme, aber im Kern geht es immer um die Distanzierung von etwas durchaus Akzeptiertem. Dieser Tonfall scheinbarer Verachtung ist inzwischen geradezu der Ausweis von Intellektualität. Früher legte der Gymnasiast diese Pennälerhaltung spätestens als Student ab. Es wird viel über die Infantilisierung der Gesellschaft gesprochen. Die Pubertisierung der Medien ist kaum weniger auffällig.

Montag, 21. September 2009

Berufung


"Juristen sind Leute, die die Gerechtigkeit mit dem Recht betrügen."
Harold Pinter

Sonntag, 20. September 2009

Repräsentativ


Zu den repräsentativsten Gestalten der deutschen Jurisprudenz gehört Carl Schmitt. Er war einer der führenden Staatsrechtler der Weimarer Republik. Nach 1933 biederte er sich eilig den Nationalsozialisten an, indem er das Recht des "Führers" verteidigte, sich über alle Legitimität hinwegzusetzen. Einer der übelsten Nazi-Schergen, Hans Frank, war Schmitts Freund und Förderer. Nach 1945 gehörte Schmitt gleichwohl wie alle Juristen zu denen, die nur ihre Pflicht getan hatten. "Ich bin bloß ein Gelehrter," erklärte er den Nürnberger Richtern. Selbstverständlich blieb er auch in der jungen Bundesrepublik ein geachteter Staatsrechtler. Er war plötzlich wieder Demokrat, auch wenn er sich vehement gegen die "Tyrannei der Werte" im Grundgesetz aussprach. Dass Carl Schmitt nach wie vor ein unverbesserlicher Antisemit war, beschädigte sein Ansehen wenig. Bis heute sehen nicht wenige Staatsrechtslehrer in ihm eine Leitfigur.

Samstag, 19. September 2009

Bitte kein Geld!


Popstars und Bestsellerautoren erhalten nach ihrem kommerziellen Durchbruch in der Regel einen lukrativen Buch- oder Tonträgervertrag und einen satten Vorschuss. Dann geht's üblicherweise steil bergab mit der Kreativität. Geld scheint faul zu machen. Ist das nur eine böse Unterstellung neidischer Kollegen? Großangelegte Versuche eines Forschungsteams um den Harvard-Psychologen Felix Warneken haben gezeigt, dass ein positives Verhalten durch Belohnung nicht gefördert, sondern gebremst wird. Kinder, die für Hilfsbereitschaft ein Geschenk erhalten, sind weniger hilfsbereit als unbelohnte Kinder. Denksportaufgaben werden von Jugendlichen besser und schneller gelöst, wenn ihnen dafür kein Anreiz geboten wird. Arbeit, die freiwillig geleistet wird, ist besser und effektiver als bezahlte Arbeit. "Nichts ist idiotischer," meint der Stanford-Professor Mark Lepper, "als einen Menschen für das zu belohnen, was er ohnehin gerne macht." Welche Aussagekraft die Forschungen von Lepper und Warneken haben, dürfte davon abhängen, ob sie dafür bezahlt wurden.

Freitag, 18. September 2009

Schokoladig


Schokoladesüchtige müssen die braunen Riegel nicht länger verschämt oder heimlich in den Mund schieben. Schwedische Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Schokolade Herzkrankheiten und Infarkten vorbeugt. Auch die Rekonvaleszenz nach Herzkrankheiten wird durch den Konsum von Schokolade beschleunigt. Die Anonymen Schokoholiker können sich also ab sofort outen. Ihr Laster ist in Wahrheit eine Tugend, um nicht zu sagen: Eine Therapie.

Donnerstag, 17. September 2009

Sieben Todsünden von Musicalautoren



1. Die Geschichte ist vorhersehbar.
2.Das Publikum fühlt keine Empathie mit dem Protagonisten.
3. Der Protagonist lernt nichts aus der Geschichte und bleibt, der er ist.
4. Das Thema bleibt unausgelotet.
5. Lieder erzählen, was das Publikum längst weiß.
6. Alle Figuren singen und reden einen Einheitsstil.
7. Nach zehn Minuten ist noch unklar, worum es geht.

Mittwoch, 16. September 2009

Rechtfertigung


Admetus, der junge König von Thessalien, wurde vom Tod zum Sterben bestimmt. Apollo intervenierte. Er erreichte von den Schicksalgöttern einen Aufschub, unter der Bedingung, dass Admetus einen Ersatz stellt, also jemanden, der an seiner Stelle zu sterben bereit ist. Admetus fragte seine Eltern und Freunde, vor allem die älteren und kränklichen, erhielt aber von allen eine Absage. Nur seine ihn über alles liebende Frau Alcestis war bereit, sich für ihn zu opfern. Admetus akzeptierte. Nach dem Tod der Alcestis aber schlug ihm das Gewissen. Er brachte es zum Schweigen, indem er sich einredete, Alcestis würde das Leben weniger vermissen, als er es vermisst hätte. Auch gab er seinen Eltern und älteren Freunden die Schuld, da sie sich verweigert hatten.

Dienstag, 15. September 2009

Zwangsläufig


Orden, Preise und Auszeichnungen sind wie Hämorrhoiden. Früher oder später kriegt sie jedes Arschloch.
Billy Wilder

Montag, 14. September 2009

Ersatz-Exekution


Elfriede Scholz, Frau eines Musikers, war gelernte Schneiderin. In den Kriegsjahren nähte sie für viele Dresdnerinnen aus mitgebrachten Stoffen modische Kleider. Beim Maßnehmen und Anproben unterhielt man sich über die Männer an der Front und die Ängste und Nöte in der Stadt. Im Spätsommer 1943 holte sie eines Morgens die Gestapo aus dem Bett. Eine Kundin hatte der Polizei erzählt, die Schneiderin habe zu ihr gesagt, der Krieg sei bereits verloren. Kein geringerer als Hitlers Oberscherge Roland Freisler nahm sich des Falles an. Vom Volksgerichtshof wurde Elfriede Scholz wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 16. Dezember 1943 in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Wie viele andere wurde Elfriede Scholz ein Opfer des Denunziantentums. Dass ihr Fall der NS-Justiz einen Schauprozess wert war, hatte allerdings einen Grund. Die Dresdner Schneiderin war die Schwester eines Autors, den die Nazis hassten. Sein Name: Erich Maria Remarque. Sein Roman "Im Westen nichts Neues" hatte mit der Verherrlichung des Krieges für immer ein Ende gemacht. „Ihr Bruder ist uns leider entwischt," herrschte Freisler Frau Scholz in der Verhandlung an, "Sie aber werden uns nicht entwischen“.

Sonntag, 13. September 2009

Dilemma


Wer immer nur das Vollkommene sucht, verpasst leicht das Mögliche.

Samstag, 12. September 2009

Weniger=Mehr


Jeder Kreative weiß ganz genau, dass 90 % seiner Produktion nicht so gut ist, wie sie sein könnte, wenn er sich mehr Mühe gäbe. Wenn wir uns selbst die Chance geben, nur das Beste zu akzeptieren, indem wir zehn Möglichkeiten schaffen aus denen wir eine auswählen, wird das Resultat unserer Arbeit zehnmal so gut. Niemand muss unsere Peinlichkeiten mitkriegen, solange wir sie nicht aus Faulheit, Ungeduld oder Dummheit zur Schau stellen. Grosse Werke entstehen öfter durch Selbstkritik und Ausdauer als durch Genialität.

Freitag, 11. September 2009

Weisheit für jeden Tag


"Was du lehrst," sagte der Schüler zum Meister, "ist alles sehr groß und bewegend. Aber wir Alltagsmenschen haben mit den profanen Problemen einer feindlichen Welt zu tun. Hast du nicht auch ein paar praktische Ratschläge für unsereins?" Da antwortete der Meister: "Diese vier: Sorge für deinen Körper, als hättest du einen Herzanfall hinter dir. Tu deine Arbeit so gründlich, als hinge davon deine Zukunft ab. Rede so, als würde der, über den du redest, zuhören. Und handle immer so, als müsstest du alle drei Monate vor deinen Schöpfer treten, um Rechenschaft über dein Verhalten abzugeben."

Donnerstag, 10. September 2009

Schachtelsatzmanie


"Wenn der deutsche Schriftsteller in einen Satz taucht, dann hat man ihn die längste Zeit gesehen. Bis er endlich wieder auf der anderen Seite des Ozeans auftaucht mit seinem Verbum im Mund."
Mark Twain

Mittwoch, 9. September 2009

Comedy?


"Es ist sehr schwierig in dieser Welt ganz und gar fröhlich oder absolut traurig zu sein. Das Komische hat, wenn es menschlich ist, immer auch schmerzliche Züge."
Joseph Conrad

Dienstag, 8. September 2009

Besser geht's nicht


Winston Lord, einer der Mitarbeiter des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger arbeitete mehrere Tage an einem Bericht, den Kissinger angefordert hatte. Er bekam das Dokument zurück mit einer auf der Titelseite angehefteten Notiz, die lautete: "Können Sie das nicht besser machen?". Darauf verfeinerte und ergänzte Lord seine Arbeit und lieferte sie erneut ab. Kurz darauf erhielt er den Bericht wieder zurück mit der Frage: "Geht das nicht besser?" Das Ganze wiederholte sich ein drittes Mal, worauf Winston Lord so wütend wurde, dass er in Kissingers Büro stürmte. Spätestens die letzte Zurückweisung, erklärte er, sei absolut ungerecht; besser, präziser und zugleich umfassender könne niemand einen solchen Bericht schreiben. Worauf Kissinger sehr ruhig antwortete: "Ausgezeichnet. Dann kann ich ihn ja jetzt lesen."

Montag, 7. September 2009

Spiegelerfahrung


Das Außen korrespondiert zu deinem Innen. Was dir zufällt, hängt weitgehend von dem ab, was in dir geschieht. In deinen äußeren Erfahrungen spiegelt sich dein Denken und Fühlen. Im Laufe der Zeit richtet sich das Leben, das du lebst, an den Vorstellungen aus, die du von deinen Fähigkeiten und Möglichkeiten hast. Irgendwo in der Bibel heißt es sinngemäß daher: Wie du denkst, so wirst du sein.

Sonntag, 6. September 2009

Verwechslung


„Das Publikum verwechselt leicht den, welcher im Trüben fischt, mit dem, welcher aus der Tiefe schöpft.“
Friedrich Nietzsche

Samstag, 5. September 2009

Mäusehilfe



Ein Mäuschen lief über einen schlafenden Löwen. Der Löwe erwachte und ergriff es mit seinen gewaltigen Tatzen. "Verzeihe mir", flehte das Mäuschen, "meine Unvorsichtigkeit, und schenke mir mein Leben, ich will dir ewig dafür dankbar sein. Ich habe dich nicht stören wollen." Großmütig schenkte er ihm die Freiheit und sagte lächelnd zu sich, wie will wohl ein Mäuschen einem Löwen dankbar sein. Kurze Zeit darauf hörte das Mäuschen in seinem Loche das fürchterliche Gebrüll eines Löwen, lief neugierig dahin, von wo der Schall kam, und fand ihren Wohltäter in einem Netze gefangen. Sogleich eilte sie herzu und zernagte einige Knoten des Netzes, so daß der Löwe mit seinen Tatzen das übrige zerreißen konnte.
Aesop

Freitag, 4. September 2009

Nicht davonlaufen!


Ängstliche Leute ziehen das Unglück geradezu an. Dieses gleicht einem Hund, der verfolgt, was vor ihm wegläuft. Der Rat, stehenzubleiben und selbstbewusst auf das Tier zuzugehen, ist leichter gegeben als befolgt. Doch nichts wirkt besser. Es gibt nicht wenige Extremkletterer, die mit dem Bergsteigen begonnen haben, um ihre Höhenangst zu bekämpfen.

Donnerstag, 3. September 2009

Professorale Schuhmacher


"Wo echter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progressivität. Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu geraten, oder sich zu bemühen, den Grund der Gedanken zu finden. Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. Bei vielen währt dieser Hang nur eine Zeitlang. Er wächst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Mühe des Nachdenkens ferner überhoben zu sein."
Novalis (Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg)

Mittwoch, 2. September 2009

Zuschauers Tugend


"Das Kunstwerk soll den Zuschauer beherrschen: nicht der Zuschauer das Kunstwerk. Der Zuschauer soll empfänglich sein. Er soll die Violine sein, die der Meister spielt. Und je vollständiger er seine eigenen dummen Ansichten, seine eigenen törichten Vorurteile, seine eigenen absurden Ideen über das, was Kunst sein und was sie nicht sein sollte, unterdrückt, desto wahrscheinlicher wird er das Kunstwerk verstehen und zu würdigen wissen."
Oscar Wilde

Dienstag, 1. September 2009

Schändlich


Der Überfall Deutschlands auf Polen heute vor 70 Jahren war ein schändliches Verbrechen, das leider im Bewusstsein der Deutschen eher harmlos als "Beginn des Zweiten Weltkriegs" eingeordnet wird. Praktisch vom ersten Tag an, ja bereits in der Vorbereitungsphase, war das mehr ein geplanter Massenmord als ein Feldzug. Die Generale der Wehrmacht waren von Anfang an bereit, die angeordneten Grausamkeiten an der polnischen Zivilbevölkerung mitzumachen. Ihr arrogantes Grinsen in den Wochenschauaufnahmen vom "Blitzkrieg" spricht eine deutliche Sprache. Diese Herren waren auch noch stolz auf ihr Komplizentum. Sie überließen die Verfolgung von Juden und angeblichen "Saboteure" keineswegs der SS, wie sie später gerne behaupteten. Nicht wenige "Landser" wurden in den folgenden Wochen und Jahren zu Brandschatzern, Henkern und Mördern. Was die Deutschen damals getan haben, rechtfertigt tausendfach die Abneigung vieler Polen gegen einen europäischen Schulterschluss mit den Deutschen. Manche Wunden schmerzen auch dann noch, wenn sie vernarbt sind.