Montag, 14. September 2009

Ersatz-Exekution


Elfriede Scholz, Frau eines Musikers, war gelernte Schneiderin. In den Kriegsjahren nähte sie für viele Dresdnerinnen aus mitgebrachten Stoffen modische Kleider. Beim Maßnehmen und Anproben unterhielt man sich über die Männer an der Front und die Ängste und Nöte in der Stadt. Im Spätsommer 1943 holte sie eines Morgens die Gestapo aus dem Bett. Eine Kundin hatte der Polizei erzählt, die Schneiderin habe zu ihr gesagt, der Krieg sei bereits verloren. Kein geringerer als Hitlers Oberscherge Roland Freisler nahm sich des Falles an. Vom Volksgerichtshof wurde Elfriede Scholz wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 16. Dezember 1943 in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Wie viele andere wurde Elfriede Scholz ein Opfer des Denunziantentums. Dass ihr Fall der NS-Justiz einen Schauprozess wert war, hatte allerdings einen Grund. Die Dresdner Schneiderin war die Schwester eines Autors, den die Nazis hassten. Sein Name: Erich Maria Remarque. Sein Roman "Im Westen nichts Neues" hatte mit der Verherrlichung des Krieges für immer ein Ende gemacht. „Ihr Bruder ist uns leider entwischt," herrschte Freisler Frau Scholz in der Verhandlung an, "Sie aber werden uns nicht entwischen“.