Mittwoch, 31. Dezember 2008

Bilanz


Am Jahresende zieht man Bilanz. Was war gut, was war schlecht? Was war verkehrt, was richtig? Da dies eine kleine Vorübung für das Bilanzieren am Lebensende ist, gibt es keinen passenderen Tag für den Hinweis auf die Abschiedsvorlesung von Randy Pausch. Als akademische Pflichtübung vor der Aufgabe eines Lehrstuhls geplant, wurde diese Vorlesung zum Rückblick auf das Leben für den 47-jährigen Softwareexperten. Als er sie hielt, wusste er, dass er nicht mehr lange leben würde. Was seine Abschiedsrede so außergewöhnlich macht, ist das völlige Fehlen von Sentimentalität, Selbstmitleid und Tiefsinn. Und doch steckt in diesen Ausführungen mehr Weisheit als in mancher philosophischen Abhandlung. Amüsant sind sie obendrein, so unglaublich das klingt. Pausch starb am 28. Juli des heute zu Ende gehenden Jahres. Als glücklicher Mann, wie er selbst versicherte. 



Dienstag, 30. Dezember 2008

Zeitmanagement

"Ich habe immer Zeit. Nur unbegabte Leute haben keine Zeit."
Joseph Roth

Sonntag, 28. Dezember 2008

Das Leben ist ein Roman


Mit 17 Jahren unternahm Sidney Schechtel einen Selbstmordversuch. Durch Zufall konnte ihn sein Vater an der Ausführung hindern. Er reichte ihm den Mantel und ging mit ihm spazieren. Sidney erklärte, warum er keinen Sinn im Leben sah. Er glaubte, kein Zukunft zu haben. Fürs College fehlte das Geld, und ein Leben als Apothekergehilfe hielt er für unerträglich. "Das Leben ist ein Roman," sagte Vater Schechtel, der kein Philosoph, sondern ein reisender Vertreter war. "Ein spannender Roman. Was passiert, weißt du immer erst, wenn du die nächste Seite liest." Sidney hatte auch danach noch Depressionen, aber immer beschloss er, die jeweils nächste Seite abzuwarten. So wurde er 89 Jahre alt und blickte auf ein Leben zurück, in dem er Riesenerfolge feierte als Songwriter, Librettist, Drehbuchautor, TV-Producer und Bestsellerautor - unter dem Namen Sidney Sheldon.  

Samstag, 27. Dezember 2008

Halt den Mund, Jessica!


"Liegt Ihnen zuviel an dem, was Sie zu sagen haben," mahnt Thomas Mann alias Tonio Kröger, "können Sie eines Fiascos sicher sein." Möglich, dass Autor Horst Königstein und Regisseur Heinrich Breloer sich dessen nicht bewusst waren, als sie "Die Buddenbrooks" neu verfilmten. Den meisten Kritikern missfällt die Opulenz und Detailfreude des Films. Und selbstverständlich kennen die Feuilletonisten ihren Thomas Mann auch viel zu gut, um nicht den einen Schauspieler zu schön, diese Szene zu sauber, jene Darstellung zu oberflächlich zu finden. Ein bisschen Schadenfreude beflügelt die Kritikerfeder. Der gefeierte Breloer ist zu groß geworden, man hat ihn zu sehr gelobt. Jetzt wollen wir ihn aber wieder zurechtstutzen. So herb ist mancher Verriss, dass die Darstellerin der Tony, Jessica Schwartz, sich bereits öffentlich von dem Film distanziert. Vielleicht hofft sie, dadurch aus der Schusslinie zu geraten. Die Presse schlachtet das heute gebührend aus, dem "Hamburger Abendblatt" ist dieser Verrat eine Schlagzeile auf der Titelseite wert. Die junge Schauspielerin hält sich vermutlich für mutig. Schon mal was von Loyalität gehört, Frau Schwartz? Womöglich hat sie Herr Breloer ja gewaltig genervt während der Dreharbeiten. Aber Sie sollten an ihre Kollegen denken, und an die vielen hundert Mitarbeiter des Films, die monatelang alles gegeben haben. Der Film kann sein, wie er will. Dem eigenen Team schadet man nicht. Ihnen selbst wird die Distanzierung nicht helfen, schon gar nicht ein finanzielles Debakel des Films, das Sie durch Ihre Wichtigtuerei wahrscheinlicher machen. Statt auf den Journalisten, der Sie befragte, hätten Sie auf Ihre innere Stimme hören sollen, als sie sagte: "Halt den Mund, Jessica!" 

Freitag, 26. Dezember 2008

Psychopathologie


"Die Deutschen neigen dazu, den anderen nicht als anderen zu achten, sondern zu verachten."
Margarete Mitscherlich

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Trauer um Harold Pinter - und Deutschlands Theater


Gestern starb Harold Pinter. Sein Tod kam nicht unerwartet, er war ja schon lange sehr krank. Doch das macht den Verlust nicht weniger spürbar. Wie wenige repräsentiert Pinters Werk die Vitalität der britischen Theaterszene. Während diese ein gutes Dutzend weltweit gespielte und richtungsweisende Dramatiker/innen hervorgebracht hat, zum Beispiel Peter Shaffer, David Hare, Pam Gems, Alan Benett und Christopher Hampton, ist unsere hoch subventionierte Theaterlandschaft weitgehend zur unfruchtbaren Brache verkommen. Die Gründe sind Überdüngung und Zerstörung durch Monokultur. Solange hierzulande Regisseure dafür gelobt werden, dass sie die Arbeit von Autoren nach Lust und Laune nach Gutdünken verändern, wird da nichts wachsen, was sich mit Pinter, Hare oder Benett auch nur vergleichen ließe. Überhaupt: Unsere Bühnen mögen von Theater heute und den Kritikern der Süddeutschen ihrer Verachtung des Publikums wegen hochgelobt werden, doch sie haben den Anschluss ans Weltniveau verloren. Deutschlands Subventionsbühnen sind provinziell, doch wie alle Provinzler halten sich unsere Theaterleute für kleine Könige. Ein Harold Pinter wäre hier wahrscheinlich bereits am ersten Intendanten, sicher aber an einem sich für genial haltenden Regisseur gescheitert. England beklagt Pinters Tod. Wer bei uns trauert über die Vernichtung des einst glorreichen deutschen Sprechtheaters?

Sonntag, 21. Dezember 2008

Feuchtwanger ist selbst schuld!


Vor 50 Jahren starb Lion Feuchtwanger. Er war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren und einer der ganz wenigen, die weltweit Leser und Anerkennung fanden. Die Süddeutsche Zeitung gedenkt seiner an diesem Wochenende mit einem Artikel von Manfred Flügge. Dessen Anliegen ist es, "auf eine literarische und ideelle Dimension hinzuweisen, die übersehen wird, wenn man ihn reduziert auf den Unterhaltungsschriftsteller (und) den Simmel der Emigration." Man fragt sich, gegen welche arroganten Dummköpfe hier einer der Großen verteidigt werden soll. Mit Sätzen wie diesem: "Dass er ein Erfolgsautor war, mindert nicht den Anspruch, ernst genommen zu werden." Wie krumm und quer muss man denken, um einen Autor nur deshalb nicht ernst zu nehmen, weil er Erfolg hat? Der Umkehrschluss wäre, dass nur erfolgslose Autoren sich des Interesses der deutschen Intellektuellen erfreuen dürfen. Flügge meint es gut. Er hält Feuchtwanger für unterschätzt. Aber merkwürdigerweise gibt er nicht den Literaturprofessoren, Feuilletonisten und -auch das muss gesagt werden- den Antisemiten die Schuld daran, sondern - Feuchtwanger selbst. Denn: "Den unvoreingenommenen Lesern macht er es einfach, seine Romane sind leicht zugänglich und spannend." Merkt euch das gut, ihr deutschen Autoren! Wenn ihr nicht unleserlich und langweilig scheibt, dürft ihr euch nicht wundern, wenn die deutsche Literaturkritik euch nicht ernst nimmt.

Montag, 15. Dezember 2008

Künstler sind Versager

Wer ausschließlich das Vollkommene sucht, verpasst das Mögliche. Wer sich zu früh mit dem Möglichen zufrieden gibt, wird nie das Vollkommene erreichen. Das Gute ist der Feind des Besseren, aber man kann nur gut sein, wenn man immer das Bessere will. Jeder Künstler ist grundsätzlich unzufrieden. Er freut sich über Anerkennung, seine Eitelkeit sonnt sich im Applaus, doch in tiefster Seele weiß er, dass er vor sich selbst versagt hat. Leonardo Da Vinci bezichtigte sich gegen Ende seines Lebens, zu wenig aus seinem Talent gemacht und dadurch Gott beleidigt zu haben. 

Sonntag, 14. Dezember 2008

Einfach Schreiben


Der deutsche Intellektuelle hält alles für dumm, was er versteht. Bedeutend scheint ihm nur das Kryptische. Aus diesem Grunde sind 90 % der akademischen Veröffentlichungen unlesbar; selbst Kollegen lesen wissenschaftliche Publikationen in der Regel nur aus Pflichtbewusstsein. Ähnliches geschieht in außerakademischen Fachzirkeln. Wer mehr zu wissen glaubt als andere, zeigt das in der Regel durch Verklausulierungen, Akronyme und Schachtelsätze. Jede deutsche Computerzeitschrift dient als Beleg. In den Hirnen unserer Landsleute ist die Demokratie noch nicht angekommen. Wissen ist Macht, und die behält man gerne. Jede Klasse der Wissenden schottet sich sprachlich ab. Wer diesen Kodex durchbricht, wird geächtet. Manch einer wurde schon durch den Vorwurf, "populär" zu schreiben, aus der Bahn geworfen. Eine Biografie ist lesbar? Dann ist sie natürlich unwissenschaftlich. Selbst wenn es um die schnöde Unterhaltung geht, will man unter sich bleiben. Das Einfache erhält stets das Etikett "banal", jede verständliche Aussage wird unbesehen zur Platitüde erklärt. Kein Wunder, dass das zu allerlei Eulenspiegeleien reizt. Doch die sind selten mehr als Hochstapeleien, bestenfalls Späße. Kunst ist immer einfach, Wissenschaft ist immer klar. Es ist kein Zufall, dass Ludwig Wittgenstein von England aus wirkte. Seine Einsicht, dass man alles, was sich sagen lässt, einfach und verständlich sagen kann, ist bis heute nicht in Deutschland angekommen. 

Freitag, 12. Dezember 2008

Weniger ist mehr!


"In der ersten Fassung eines Buches lasse ich die Feder locker laufen und fabuliere weg, was mir am Herzen liegt. Dann beginnt für mich die eigentliche Arbeit, die des Kondensierens und Komponierens, ein ständiges Ballast-Bord-Werfen, Verdichten und Klären der inneren Architektur; während sich die meisten anderen nicht entschließen können, etwas zu verschweigen, was sie wissen, und mit einer gewissen Verliebtheit in jede gelungene Zeile sich weiter und tiefer zeigen wollen, als sie eigentlich sind, ist es mein Ehrgeiz, immer mehr zu wissen, als nach außen hin sichtbar wird. Dieser Prozess der Kondensierung und Dramatisierung wiederholt sich einmal, zweimal und dreimal bei den gedruckten Fahnen; es wird schließlich eine lustvolle Jagd, noch einen Satz oder auch nur ein Wort zu finden, dessen Fehlen die Präzision nicht vermindern und das Tempo steigern könnte. Meine Kunst ist die des Verzichtenkönnens, denn ich klage nicht, wenn von tausend geschriebenen Seiten achthundert in den Papierkorb wandern und nur zweihundert als die durchgesiebte Essenz zurückbleiben."
Stefan Zweig