Freitag, 12. Dezember 2008

Weniger ist mehr!


"In der ersten Fassung eines Buches lasse ich die Feder locker laufen und fabuliere weg, was mir am Herzen liegt. Dann beginnt für mich die eigentliche Arbeit, die des Kondensierens und Komponierens, ein ständiges Ballast-Bord-Werfen, Verdichten und Klären der inneren Architektur; während sich die meisten anderen nicht entschließen können, etwas zu verschweigen, was sie wissen, und mit einer gewissen Verliebtheit in jede gelungene Zeile sich weiter und tiefer zeigen wollen, als sie eigentlich sind, ist es mein Ehrgeiz, immer mehr zu wissen, als nach außen hin sichtbar wird. Dieser Prozess der Kondensierung und Dramatisierung wiederholt sich einmal, zweimal und dreimal bei den gedruckten Fahnen; es wird schließlich eine lustvolle Jagd, noch einen Satz oder auch nur ein Wort zu finden, dessen Fehlen die Präzision nicht vermindern und das Tempo steigern könnte. Meine Kunst ist die des Verzichtenkönnens, denn ich klage nicht, wenn von tausend geschriebenen Seiten achthundert in den Papierkorb wandern und nur zweihundert als die durchgesiebte Essenz zurückbleiben."
Stefan Zweig