Freitag, 31. Juli 2009

Beliebt? Igitt.


"Popularität hat stets Geringschätzung im Gefolge, und unser Empfinden hat die Geringschätzung, die eine große Popularität nach sich zieht, zu einem Glaubensartikel erhoben."
Peter Gay

Donnerstag, 30. Juli 2009

Japanische Fischfabel


Ein Mann hatte einstmals einen Fisch gefangen, und zwar einen giftigen Fugu. Da er von giftigen Fischen gehört hatte und der gefangene Fisch ihm unbekannt war, hatte er Bedenken, ihn zu essen. Deshalb gab er ein Stück des Fugus vor der Zubereitung einer streunenden Katze. Die Katze nahm den Fisch ins Maul und lief davon. Der Mann dachte, dass seine Besorgnis wohl unbegründet sein müsse; wenn die schlaue Katze den Fisch nicht verschmähe, könne er ihm unmöglich schaden. Er bereitete daher den Fisch zu und begann, ihn ruhig zu verspeisen. Der Katze aber waren, nachdem sie ihre Beute in Sicherheit gebracht hatte, doch auch einige Bedenken gekommen. Sie schlich aus ihrem Verstecke wieder hervor, um zu erfahren, ob der Mann den Fisch auch wirklich verzehre. Als sie nun sah, dass er ihn wirklich aß, da zögerte sie nicht länger und fraß ihr Stück ebenfalls. Beide, Mann und Katze, hielten sich für sehr schlau. Und starben doch elendiglich.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Magna Carta Auctorum


1. Integrität. Ohne deine vorherige Zustimmung darf niemand dein Werk kürzen, ergänzen oder verändern.
2. Eigentum. Dir gehören die Ideen und die ihre Ausführung in deinem Werk. Du kannst dein geistige Eigentum an dem Werk nicht übertragen; du räumst einem Lizenznehmer lediglich das Recht der Verwendung auf eine bestimmte Weise für einen begrenzten Zeitraum ein.
3. Kontrolle. Du hast ein künstlerisches Zustimmungs- und Mitwirkungsrecht bei der Auswahl der Kreativen, die dein Werk interpretieren.
4. Exklusivität. Interpreten, Regisseure und Dramaturgen, die dein Werk künstlerisch realisieren, werden dadurch unter keinen Umständen zu Miturhebern.

Dienstag, 28. Juli 2009

Mut


Assiya Rafiq wurde mit 16 Jahren von mehreren Männern verschleppt. Ein Jahr lang wurde sie in einem Keller gefangengehalten und täglich vergewaltigt und verprügelt. Als ihr endlich die Flucht gelang, hielt sie die Polizei fest. Vier Beamte vergewaltigten sie erneut. Endlich warfen sie das Mädchen auf die Straße. Was ihr zu tun blieb, war Selbstmord zu begehen. Denn die Geschichte spielt in Pakistan. Dort ist die Selbsttötung traditionell die einzige Möglichkeit einer vergewaltigten Frau, ihre Familienangehörigen von der "Schande" der Entehrung zu befreien. Doch Assiya beschloss zu kämpfen. Sie sprach mit ihrer Mutter, und diese ermutigte sie, sich über die pakistanischen Sitten hinwegzusetzen. Trotz Drohungen gegen sie und ihre jüngeren Geschwister fand sie den Mut, ihre Peiniger zu verklagen. Sie möchte nicht als Opfer sterben. Der Fall ist noch nicht entschieden. In Pakistan sind auch Staatsanwälte und Richter korrupt und frauenfeindlich. Doch egal, wie es ausgeht. Die Geschichte erinnert uns daran, dass es nicht unbedingt spektakuläre Revolutionen sind, die die Welt verändern. Manchmal beginnt die Überwindung der Unmenschlichkeit mit einer Entscheidung von zwei Frauen, sich nicht mehr zu fügen.

Montag, 27. Juli 2009

Theaterkritik



Die Veranstalter der Salzburger Festspiele hielten es für eine wunderbare Idee, Daniel Kehlmann die Eröffnungsrede halten zu lassen. Der 34.jährige ist die unbestrittene Nummer Eins unter den literarischen Bestsellerautoren und für kluge und witzige Reden berühmt. Doch was er am Samstag zum Theaterbetrieb an deutschsprachigen Bühnen zu sagen hatte, verhagelte den Gastgebern die Stimmung. Ausländer, sagte er, die hierzulande ins Theater gingen, seien verwirrt. "Warum das denn auf den Bühnen alles immer so ähnlich aussehe, ständig Videowände und Spaghettiessen, warum sei immer irgendwer mit irgendwas beschmiert, wozu all das Gezucke und routiniert hysterische Geschrei?" Ob man Schiller in historischen Kostümen oder aktualisiert aufführen solle, sei die am stärksten mit Ideologie befrachtete Frage überhaupt. "Eher ist es möglich, unwidersprochen den reinsten Wahnwitz zu behaupten, als leise und schüchtern auszusprechen, dass die historisch akkurate Inszenierung eines Theaterstücks einfach nur eine ästhetische Entscheidung ist, nicht besser und nicht schlechter als die Verfremdung, auf keinen Fall aber ein per se reaktionäres Unterfangen." Der Schriftsteller sprach über seinen Vater, den bekannten Theatermacher Michael Kehlmann. Dieser hätte immer die Auffassung vertreten, dass der Regisseur ein Diener des Autors zu sein habe. Heutzutage werde aber ein Regisseur, der in seinen Inszenierungen die Intention des Autors umsetze, nicht mehr beschäftigt. Der herrschende "Modernisierungszwang" verlange Spielleiter, die ohne Hemmungen Texte und Inhalte verändern und gerade die besten Werke bis zur Unkenntlichkeit umgestalten. Das habe Michael Kehlmann nicht mitgemacht. Dass man ihn deshalb quasi mit einem Berufverbot belegt habe, hätte ihn in Verzweiflung gestürzt. Von der Verzweiflung der betroffenen Theaterautoren war nicht die Rede.

Sonntag, 26. Juli 2009

Festspielzeit


Weihevolle Eröffnung der Salzburger Festspiele in einer vor Pathos und Bedeutungsschwere erfüllten Felsenarena. Kirchenlicht. Festlich gekleidete Damen und Herren, geföhnte Haare, ernste Mienen. Blumenschmuck. Honoratioren, namentlich begrüßt. Nationalhymne. Nicht nur Religionen aller Art erwachen zu neuer Blüte, auch Europas Ersatzreligion Nummer Eins, die sogenannte Kunst. Festspielzeit. Dirigenten und Regisseure werden zu Hohepriestern, Weihrauch hängt in der Luft. Mozart und Beethoven als vergoldete Götzen der Reichen und Mächtigen. Wagner trifft es auch, aber der hat es nie anders gewollt. Künstlichkeit als Kunst, Attitüde als Sozialstatus, Verlogenheit als Zeremoniell. Hatten wir nicht geglaubt, all das sei überwunden?

Samstag, 25. Juli 2009

Geregelte Reinkarnation


In der Volksrepublik China wird die Reinkarnation lebendiger Buddhas im tibetischen Buddhismus seit knapp zwei Jahren durch Gesetz geregelt. Dessen Inhalt lässt sich auf die Formel bringen, dass eine Reinkarnation Buddhas ohne staatliche Genehmigung nicht stattzufinden hat. Ohne vorherige Antragstellung in Peking darf Buddha nicht wiedergeboren werden. Antragsberechtigt sind nur einige Klöster. Man kann das lächerlich finden, sollte aber nicht vergessen, dass es in Europa eine ähnliche Regelung gab. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde vereinbart, dass der Landesherr bestimmt, woran seine Untertanen zu glauben haben (cuis regio, eius religio). Aus Sicht der Katholiken ging es dabei um ewiges Leben oder ewige Verdammnis. Regierungen ersetzten göttliche Vorsehung und privates Gewissen. Dass sich die himmlischen Ordnungsmächte daran gebunden fühlten, ist zu bezweifeln. Auf Erden sorgte die Regelung jedenfalls erst nach mehr als hundert Jahren und einem verheerenden, dreißig Jahre dauernden Krieg für Frieden. Es steht zu fürchten, dass die Befriedung Tibets nicht wesentlich rascher erfolgt und das Reinkarnationsgesetz kaum dazu beitragen wird.

Freitag, 24. Juli 2009

Zwergsatire

Deutschlands Staatsanwälte mögen etwas zu forsch sein, aber sie schreiben nach wie vor die besten Satiren. Neuestes Kabinettstückchen ist der Fall des Nürnberger Kunstprofessors Ottmar Hörl. Er schuf Gartenzwerge, die die Hand zum Hitlergruß erheben. Prompt interessierte sich die Obrigkeit dafür. Deutsche Gartenzwerge mit Hitlerbärtchen, das sah in ihren Augen nach Verherrlichung des Nationalsozialismus aus. Der Künstler musste erst versichern, dass er nicht verherrlichen, sondern lächerlich machen wollte. Gestern wurde das Verfahren eingestellt. Begründung: "Bei der Gesamtschau wird die Gegnerschaft zur Ideologie hinreichend deutlich."

Donnerstag, 23. Juli 2009

Umdenken


Bekanntlich kommt es immer anders, als man denkt. Wer sich nicht abbringen lässt von einem einmal gefassten Plan, ist konsequent, aber selten erfolgreich. Während der Realisierung ändern sich in der Regel die Koordinaten. Dann muss man die Strategie entsprechend korrigieren, sonst wird das Ziel verfehlt. Von Chip und Dan Heath (Made to Stick) erfahren wir, dass inzwischen sogar die Generalstäbe gemerkt haben, wie gefährlich blinder Gehorsam unterhalb der Befehlsebene sein kann. Weil kein noch so guter Plan den ersten Feindkontakt überlebt, müssen militärische Pläne in der US-Armee stets an erster Stelle das Ziel der Aktion beschreiben. Unter dem Kürzel CI (Commanders Intent) wird die Absicht des Plans stichwortartig bezeichnet. Wenn die Umstände eine Änderung des Vorgehens notwendig machen, haben die Ausführenden sich an dem CI zu orientieren. Um Missverständnisse zu vermeiden, darf es immer nur ein Aktionsziel geben, das klar definiert sein muss.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Kompetenz


Eine Gruppe von Ameisen beschloss, den Ozean zu überqueren. Auf dem Weg zum Strand versperrte eine große Regenpfütze den Weg. Eine sprang gleich ins Wasser und schwamm bis zu einem Stein, der in der Mitte der Pfütze eine kleine Insel bildete. Sie krabbelte hoch, drehte sich um und blickte stolz zurück. Die anderen Ameisen befanden sich noch im ersten Viertel der Pfütze. Von der höchsten Stelle des Steins brüstete sich die Vorausschwimmerin mit ihrer Erfahrung. Hinfort galt sie als Expertin für die ins Auge gefasste Ozeanüberquerung.

Dienstag, 21. Juli 2009

Lebensweisheit


"Wenn du merkst, dass du dich in einem Loch befindest, hör auf zu graben."
Will Rogers

Montag, 20. Juli 2009

Effektives Arbeiten


Jerry Leiber und Mike Stoller hatten sich als Teenager zusammengetan, um Blues-Songs zu schreiben. Beide kamen aus weißen, jüdischen Mittelstandsfamilien, aber die Musik, die sie liebten war schwarz. Es gelang ihnen, einige ihrer Songs in der Blues- und Jazzszene von Los Angeles zu platzieren. Ihr Durchbruch kam, als ein junger weißer Sänger eines ihrer Lieder aufnahm. Sie erfuhren davon erst, als die Platte im Radio lief und die Charts stürmte. Der Song, geschrieben für eine Blues-Sängerin, hieß "Hound Dog", und der junge Sänger Elvis Presley. Als die Elvis-Producer noch so eine Nummer wollten, schickten Jerry und Mike ihnen die Aufnahme von "Love me", das sie ebenfalls für eine schwarze Interpretin geschrieben hatten. Die Elvis-Version wurde ihr zweiter Riesenhit. Um weitere Songs zu bekommen, ließ der Presley-Verleger Jean Aberbach die zwei Wunderknaben nach New York kommen. Er quartierte sie in eine Hotelsuite ein, in der ein Piano und eine reichlich bestückte Zimmerbar bereitstand. Die beiden Songwriter, beide gerade 23, interessierte vor allem die Bar. Das Piano blieb unbenutzt. Sie fanden New York viel zu spannend, um die Zeit mit Arbeit zu vertrödeln. Clubs, Broadwayshows und Mädchen nahmen sie voll in Anspruch. Nach zwei Wochen erschien Aberbach um die Mittagszeit in ihrer Suite, die beiden frühstückten gerade. "Wo sind die Songs für Elvis?" wollte ihr Auftraggeber wissen. "Keine Sorge, die schreiben wir schon noch," war die Antwort. "Ich mache mir keine Sorgen," sagte Jean Aberbach. "Denn ich bleibe hier, bis ich mindestens vier Songs von euch kriege." Sprach's, schob die Couch vor die Zimmertür und legte sich drauf. Den beiden Songwritern blieb nichts anderes übrig, als endlich etwas zu liefern. Mike setzte sich ans Klavier, Jerry lümmelte sich mit einem Schreibblock in den Sessel daneben. Um 14 Uhr fingen sie an Riffs zu suchen und Textzeilen zu notieren. Vier Stunden später weckten sie den Mann auf der Couch und spielten ihm folgende vier Lieder vor: "Treat me nice", "You're so square, Baby, I don't care", "I want to be free" und "Jailhouse Rock". Die Songs haben bis heute etwa 40 Millionen Dollar eingespielt.

Sonntag, 19. Juli 2009

Verlust


Mit Walter Cronkite, der am Freitag 92-jährig starb, endet eine goldene Ära des amerikanischen Fernsehjournalismus. Der legendäre "Anchorman" der CBS verkörperte die Tugend der wahrheitsgemäßen und unkommentierten Berichterstattung. Dadurch errang das Vertrauen der US-Öffentlichkeit. Als er nach einem Besuch der Truppen in Vietnam über seine Erfahrungen berichtete, glaubte die Mehrheit der Amerikaner nicht länger, dass der Krieg zu gewinnen war. Johnson, der die Sendung im Weißen Haus sah, entschloss sich unmittelbar darauf, Vietnam aufzugeben. "Wenn ich Cronkite verloren habe, habe ich die Amerikaner verloren," sagte der Präsident. Daher kann man sagen, dass Cronkite es war, der den Vietnamkrieg beendete. Er sprach auch live mit der Apollo-Crew während der Mondlandung, interviewte Kennedy kurz vor seiner Ermordung, machte die Watergate-Affäre zum nationalen Thema und überzeugte Israels Begin und Ägyptens Sadat allein durch kluge Fragen, dass es Zeit war, Frieden zu machen. Leider bietet die heutige Medienlandschaft Journalisten wie ihm keine Foren mehr, weder in den USA noch in Europa.

Samstag, 18. Juli 2009

Ansichtssache


"Wenn Sie die Erde von dort oben sehen, das verändert den Blickwinkel komplett. Wenn in Zukunft Touristen in Massen ins All reisen, wird das den Blick der Menschheit verändern. Auf einer Landkarte sehen Sie Ländergrenzen. Wenn Sie von oben auf die Erde schauen, sehen Sie keine Grenzen. Und: Sie sehen auch keine Menschen. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung. Wenn sich der Mensch durch einen Weltkrieg wegbomben würde, die Erde würde es einen Scheißdreck interessieren."
Ulrich Walter, Astronaut

Freitag, 17. Juli 2009

Behandlungsfehler


Der Steuerzahler hat die Banken vor dem Ruin gerettet, und jetzt treiben die Banken den Steuerzahler in den Ruin. Auf diese Kurzform lässt sich die gegenwärtige Kritik an der sogenannten Kreditklemme bringen. Fakt ist, dass die Banken den mittelständischen Firmen dringend notwendige Darlehen vorenthalten oder an unerfüllbare Konditionen knüpfen. Unser Finanzminister Steinbrück, der immer gleich den Knüppel aus dem Sack holt, hat den Banken zornig Ungemach angedroht. Wahlkampfgerede. Denn das Verhalten des Finanzmarkts ist eine Folge der Politik dieses Finanzministers. Im Unterschied zu den USA hat die deutsche Regierung die Bankenkrise nämlich nicht wirklich gelöst, sondern nur besänftigt und mit Absichtserklärungen zugedeckt. Sie hat den Banken freigestellt, ob sie sich mit Staatshilfe sanieren. Diese haben fast ausnahmslos darauf verzichtet. Und jetzt müssen sie Geld horten, um sich mittelfristig ein neues Fundament zu schaffen. Genau dieses Geld ist es, was der Wirtschaft fehlt. Darf man den schwarzen Peter nun allein den Banken zuschieben? Klar, Medien und Stammtische applaudieren. In Wahrheit aber trifft die Schuld letztlich eine Regierung, die in ihrer größten Bewährungsprobe unentschlossen und halbherzig gehandelt hat. Es wäre die Aufgabe des verantwortlichen Arztes gewesen, den Kranken zum Schlucken der bitteren Medizin zu zwingen. Jetzt kränkelt er weiter und steckt andere an.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Unglaublich


Sicher ist, dass Marita Lorenz 1959 als die Tochter eines deutschen Kapitäns nach Havanna kam. An Bord der Berlin lernte die Neunzehnjährige den siegreichen Fidel Castro und seine Compañeros kennen, als sie dem Schiff einen Besuch abstatteten. Keine schöne Frau war vor Castro sicher, und Marita war schön. Er lud sie in das Hotel ein, in dem er residierte, und die junge Deutsche verliebte sich in den Revolutionär. Sein Versprechen, sie zur „Königin von Kuba" zu machen, nahm sie ernst. Doch als sie schwanger wurde, war Fidels Interesse an ihr bereits erloschen. Er zwang sie zu einer brutalen Abtreibung. Marita verließ Havanna und wollte nie wieder zurück. Ungewiss ist die Fortsetzung der Geschichte: Laut Marita Lorenz hatte der CIA von ihrer Beziehung zum verhassten Angstgegener der USA Wind bekommen. Sie sei von der US-Regierung angeheuert worden. Ihr Auftrag: Fidel Castro ermorden. Sie behauptet, bei der Vorbereitung des Mordes den späteren Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald kennengelernt zu haben. Auch sei sie an den Ereignissen beteiligt gewesen, die zur Kubakrise führten. Als eine Art weiblicher James Bond hätte sie Affären mit südamerikanischen Diktatoren und Mafiagrößen gehabt. Der Mordauftrag allerdings wäre unausgeführt geblieben, weil sie Castro immer noch geliebt habe. Deshalb sei sie von der CIA schließlich fallengelassen worden. Wer spannende Stories mag, will Marita glauben. Marita Lorenz lebt heute als Sozialhilfeempfängerin in New York. Ihre 2001 erschienene Autobiographie Lieber Fidel hat Aufsehen erregt. Reich wurde sie damit nicht.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Voraussetzung


„Wer aber nicht eine Million Leser erwartet, sollte keine Zeile schreiben.“
Goethe am 12. Mai 1825 zu Eckermann

Dienstag, 14. Juli 2009

Tropfenweise


"Glück ist ein Parfum, das du nicht auf andere sprühen kannst, ohne selbst ein paar Tropfen abzubekommen"
Ralph Waldo Emerson

Montag, 13. Juli 2009

Böser Pan


Orlando Day, ein drittklassiger Londoner Schauspieler, durfte kurzfristig für den Hauptdarsteller in einem Theaterstück von J. M. Barrie („Peter Pan“) einspringen. Obwohl das Stück schon seit sechs Wochen gespielt wurde, schickte der Ersatzmann Telegramme an alle Londoner Kritiker und an den Autor mit der Mitteilung: „Orlando Day spielt heute Abend im Criterion die Rolle von Allen Ainsworth“. Die Antwort von J. M. Barrie ist erhalten geblieben. Er telegrafierte dem ehrgeizigen Schauspieler zurück: „Danke für die Warnung.“

Sonntag, 12. Juli 2009

Sehenswert


Im Mai 1985 brachen Joe Simpson und sein Freund Simon Yates zu der gefährlichen Erstbegehung der Westwand des 6.356 Meter hohen Siula Grande in den peruanischen Anden auf. Zunächst lief alles perfekt. Schon am dritten Tag erreichten die Beiden den Gipfel.
 Doch beim Abstieg stürzte Joe ab und brach sich das Bein. Er hing hilflos in eisiger Kälte am Seil. Sein Freund Simon erlebte das schrecklichste Dilemma jeden Kletterers: Bleiben und gemeinsam mit dem Freund sterben oder das Seil kappen, um das eigene Leben zu retten. Da es unmöglich war, den Abgestürzten hochzuziehen, schnitt Simon schließlich das Seil durch. Sein Freund verschwand in einer Gletscherspalte. Yates stieg ins Basislager ab. Dort tauchte der totgeglaubte Joe Simpson, auf allen Vieren kriechend, nach Tagen wieder auf. Wie das geschah, erzählt "Sturz ins Leere", der beste aller Bergfilme. Unglaublich, wozu der menschliche Wille in der Lage ist. Spannender als jeder Tatort. Heute um 20:15 in arte TV. Nicht weniger aufregend das gleichnamige Buch von Joe Simpson.

Samstag, 11. Juli 2009

Reich


Vincent van Gogh (1853-1890), dessen Bilder heute Milliarden wert sind, lebte in bitterster Armut. Nur die Zuwendungen seines Bruders Theo verhinderten, dass er zugrunde ging. Gleichwohl verwahrte er sich entschieden gegen die Auffassung, er "lebe in ärmlichen Verhältnissen oder so was Ähnliches... Meiner Ansicht nach bin ich steinreich, nicht an Geld, doch reich darum, ...weil ich etwas habe, wofür ich mit Herz und Seele lebe, was dem Leben Inhalt und Bedeutung gibt" (Brief an Theo van Gogh vom März 1883).

Freitag, 10. Juli 2009

Ein echter Wiener geht nicht unter!


Franz Schania wusste immer, woher der Wind weht. 1932 trat er den österreichischen Szialdemokraten bei, weil alles so aussah, als kämen sie an die Macht. Doch als ihr Aufstand scheiterte, wechselte er im Februar 1934 zu der faschistischen Vaterländischen Front. Die wollten Österreich vor den Anschluss retten, doch kurz bevor der kam, trat Franz Schania zu den Nationalsozialisten über. Den Anschluss begrüßte er mit Hakenkreuzarmbinde und Hitlergruß. Belohnt wurde seine Haltung durch eine schöne Wohnung in der Wiener Kandlgasse, aus der man eine jüdische Familie vertrieb. Sein neues Zuhause überwachte er fortan als Blockhelfer und denunzierte missliebige Mitbewohner. In den 40er Jahren wurden zehn Juden aus der Kandlgasse 32 deportiert. In Anerkennung seiner Treue zum Führer stieg er zum Blockleiter auf. Vom Frühjahr 1945 an war Franz Schania dann wieder ein aufrechter Österreicher, ein Opfer der Nazis, die seine Heimat überfallen hatten. Als Demokrat, piefkehassender Österreicher und geachteter Bürger starb er im Februar 1970 in der Wohnung Nr.19, Kandlstraße 32.

Donnerstag, 9. Juli 2009

Lernprozess


Professor Jakob Sigismund Beck war schon als Student ein Verehrer Immanuel Kants. "Die Kritik der praktischen Vernunft ist seit ihrem Erscheinen meine Bibel" schrieb er dem Königsberger Philosophen. Daraus entwickelte sich zunächst ein Briefwechsel zwischen Meister und Jünger. Kant verschaffte Beck einen Verlagsvertrag für einen von seinem Verehrer verfassten "Erläuternden Auszug" der kritischen Schriften. Nach dem Erscheinen des ersten Bandes, begann der anfangs unterwürfige Beck selbstbewusster zu werden. Zunächst bat er Kant um Erläuterungen, dann begann er ihn zu korrigieren und zu belehren. Schließlich ließ Professor Beck den Begründer der kritischen Philososophie Immanuel Kant wissen, dass er seine eigene Philosophie nicht versteht.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Widersprüchlich


Gewisse Kulturwächter lehnen das Musicalgenre generell ab, weil es "bloß auf Kommerz ausgerichtet" und also keine Kunst sei. Wenn nun ein Musical ohne Rücksicht auf Kommerz realisiert und zum künstlerischen Erfolg wird, sollte man meinen, das entspräche den Wünschen dieser Leute. Weit gefehlt. Sie freuen sich allerdings, aber nur aus Schadenfreude über den finanziellen Verlust des Unternehmens. Statt den Triumph der künstlerischen Ambition über die kommerzielle Ausrichtung zu feiern, kleben sie dem Werk sogleich das Etikett "Pleitemusical" auf. Der Veranstalter erhält zu allem finanziellen Schaden noch die Häme der Presse. Kann man es den Produzenten verargen, dass sie sich solche Eskapaden nicht mehr leisten? Muss man sich wundern, dass die Kunst des populären Musiktheaters im deutschsprachigen Raum verkümmert, während sie in der angloamerikanischen Welt ein zentraler Bestandteil der Theaterkultur ist?

Dienstag, 7. Juli 2009

Autorengröße


Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass zu einer Schriftstellerkarriere lediglich Talent gehört. Wichtiger ist, dass jemand, der schreibt, etwas zu sagen hat. Unzählige Bücher voll schöner Sätze sind entbehrlich, wenn ihr Autor uns nur Worte vorsetzt. Wenn er Geschichten erfindet, nur um gedruckt zu werden. Literatur, die dem Leser nichts zu sagen hat, ist Kunstgewerbe. Große Schriftsteller sind nicht unbedingt Sprachkünstler, aber immer interessante Menschen. Jemand muss groß sein, um ein großer Autor zu werden. Es sollte nur schreiben, wer etwas mitzuteilen hat. Womöglich etwas sehr Persönliches, vielleicht auch etwas Weltbewegendes. Jedenfalls etwas, was ihm oder ihr auf der Seele brennt. Wer nichts weiter als Talent hat, hat zu wenig.

Montag, 6. Juli 2009

Abneigung


Lady Astor sah Winston Churchill missbilligend an und bemerkte scharf: "Wenn ich ihre Frau wäre, würde ich Ihnen Gift in den Tee geben." Winston Churchill erwiderte ohne nachzudenken: "Wenn Sie meine Frau wären, würde ich ihn trinken."

Sonntag, 5. Juli 2009

Frankfurter Paulskirche


Vor 160 Jahren endete der erste Versuch, ein demokratisches Deutschland zu schaffen. Preußische Bayonette waren stärker als alle Argumente. Während Frankreich und Amerika die Geburtsstätten ihrer Verfassungen wie nationale Heiligtümer pflegen und verehren, behandeln wir Deutschen den Versammlungsort des ersten deutschen Parlaments mit schändlicher Gleichgültigkeit. Schon die junge Bundesrepublik beschränkte sich auf eine Pflichtübung. Sie nannte die Frankfurter Paulskirche zwar "nationales Denkmal", aber wie ungeliebt dieses Denkmal ist, beweist sein heutiges Erscheinungsbild. Scheußlichster 50er-Jahre-Stil, kalt, nackt, weißgetüncht und puritanisch "modern". Man hat aus dem historischen Ort eine Aussegnungshalle für die dort ehemals versammelten deutschen Demokraten gemacht. Die erste wahrhaft demokratische Revolution der deutschen Geschichte hat ein anderes Denkmal verdient. Man muss ihren ursprünglichen Zustand wiederherstellen und zum Ort einer Dauerausstellung machen. Die Paulskirche ist unser Williamsburg, unser Lincoln Memorial, unser Place de La Concorde, unsere Conciergerie! Aus ihr endlich einen würdigen Erinnerungsraum zu machen, wäre wichtiger als die teure Renovierung der Berliner Überreste des preußischen Ungeists.

Samstag, 4. Juli 2009

Todesursache


Während sich Pathologen über die Leiche von Michael Jackson beugen und mehrere US-Labors Gewebeproben untersuchen, rätselt die Welt, woran "the King of Pop" gestorben sein mag. Ist das nicht offenkundig? Wie Elvis Presley starb er an seiner Ikonisierung. Es ist eine Sache, berühmt zu sein. Eine ganz andere ist es, als Legende durch die Welt zu laufen. Der Mensch ist höchst ungeeignet zur Gottwerdung. Zwar will jeder gerne verehrt und bewundert werden, aber doch nicht so, dass man zum Götzen wird. Zwar möchte man aus der Masse herausragen, aber doch nicht so weit, dass man nicht mehr zur Menschheit gehört. Wir haben keine Ahnung, was unsere Vergötterung in den armen Seelen der Vergötterten anrichtet. Dass Elvis und Michael auf ähnliche Weise endeten, lässt immerhin erahnen, dass maßloser Ruhm zum Tode führt.

Freitag, 3. Juli 2009

Lebensnautik


"Ideale sind wie Gestirne. Es ist unmöglich, sie zu erreichen; aber so wie die Seeleute die Sterne als Fixpunkte nutzen, können wir uns an den Idealen orientieren, um auf diese Weise fernliegende Ziele zu erreichen."
Karl Schurz (1829-1906)

Donnerstag, 2. Juli 2009

Zigarrendeckblatt


"Im normalen Zustand ist der Name, den ein Mensch trägt, nicht mehr als was das Deckblatt für die Zigarre. Im Fall eines Erfolges schwillt dieser Name nun gleichsam an. Er löst sich los von dem Menschen, der ihn trägt, und wird selbst eine Macht, ein Handelsartikel, und im heftigen Rückstoß eine Kraft, die den Menschen, der ihn trägt, zu verwandeln beginnt. Glückliche, selbstbewusste Naturen pflegen sich mit der Wirkung, die sie ausüben, zu identifizieren. Sie blähen sich auf, um mit ihrer Person das Volumen ihrer äußeren Wirkung zu erreichen. Aber wer von Natur aus misstrauisch gegen sich selber eingestellt ist, findet jede Art des äußeren Erfolges als Verpflichtung, sich möglichst unverändert zu erhalten."
Stefan Zweig

Mittwoch, 1. Juli 2009

Karrieremanagement


Am 17. Mai 1929 wurde im holländischen Breda die Frau des Kartoffelhändlers van den Ende erschlagen. Der Verdacht fiel auf den zwanzigjährigen Andreas Cornelius van Kuijk, einen einheimischen Gelegenheitsarbeiter. Noch in der Nacht des Mordes verschwand er aus Breda. Die Fahndung nach ihm blieb erfolglos. Dem Verdächtigen gelang die Flucht in die USA. Dort schlug er sich recht und schlecht durch, diente unter falschem Namen auch in den US-Streitkräften, beendete seinen Militärdienst jedoch vorzeitig in einer psychiatrischen Anstalt. Danach reiste er in Güterzügen durch das Land, schloss sich Zirkusleuten an, wusch Elefanten, klebte Plakate. Irgendwann kam er auf die Idee, Countrymusikern Jobs zu vermitteln. Er nannte sich nun Manager und gab sich einen respektheischenden Namen. Im Oktober 1954 entdeckte er in einer Kneipe namens "Eagle's Nest" in Memphis/Tennessee einen jungen Sänger und versprach, ihn zum Star zu machen. Als Gegenleistung verlangte er erst 25, dann 50 Prozent seiner Einnahmen. Der junge Mann war einverstanden. Er wurde tatsächlich ein Star. Schon ein Jahr nach dem Deal war der Sänger aus Memphis weltbekannt. Nur in Europa durfte der Schützling des Holländers nie auftreten, denn auf einer Konzerttournee hätte sein Manager ihn begleiten müssen, und das war dem mordverdächtigen Flüchtling zu gefährlich. Obwohl Andreas Cornelius van Kuijk inzwischen in aller Welt unter seinem falschen Namen berühmt geworden war, als Elvis-Presley-Manager Colonel Tom Parker.