Donnerstag, 25. Juni 2009

Kein Happy End


Im München der 70er Jahre schien alles möglich. Ein Ex-Dicjockey, Dressman und Gelegenheitsschauspieler konnte das Gefühl haben, das Geld liege auf der Straße. Das Leben war leicht, die Welt stand offen. Michael Kromer schrieb seinen Nachnamen mit C, das sah weltmännischer aus. Als er in Rom ein Photoshooting hatte, trug der Portier die Louis-Vuitton-Tasche seines Freundes sofort ins Hotel und ließ seine alte schweinslederne stehen. Das ärgerte ihn. Er kaufte sich also auch eine dieser sündteuren Louis-Vuitton-Koffer. Leider lag das gute Stück nach der zweiten Flugreise ramponiert auf dem Förderband. Wieder zuhause, erklärte er seiner Frau Mara, Inhaberin eines schicken Friseursalons in der Kurfürstenstraße, dass er sich jetzt seinen Koffer maßfertigen lasse. Er setzte sich hin und entwarf nächtelang sein persönliches Gepäck. Darauf die Initialen von ihm und seiner Frau, MCM. Ein Hersteller war rasch gefunden. Das Gepäck war so schmuck, dass Freunde und Besucher von Maras Salon, dasselbe haben wollten. So wurde Michael Cromer zum Kofferdesigner. 1977 gründete er die Firma MCM, und zwanzig Jahre später war daraus ein Weltunternehmen mit 250 Filialen geworden. In New York umarmte ihn Michael Douglas, und in Tokio war es Cindy Crawford, die MCM auf dem Laufsteg vorführte. Der Jahresumsatz stieg auf 500 Millionen Mark, die lackierten Leinentaschen wurden zum Standardgepäck der Jetset-Klasse. Ein Märchen. Doch in unserer Welt haben solche Märchen kein Happy End. Eine anonyme Anzeige führte zu einer groß angelegten Razzia der Steuerfahndung. Das löste eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus. Die Banken verlangten ihre Kredite zurück, die ein derart expansives Unternehmen immer braucht. Das führte schließlich zum Zusammenbruch des Kofferimperiums. Dass Jahre später das Steuerstrafverfahren lediglich Lapalien wie die Beschäftigung einer privaten Putzfrau auf Firmenkosten zutage brachte, nützte Michael Cromer nichts mehr. Die Namensrechte gehörten inzwischen einer Schweizer Holding, die sie bald weiterverschacherte. Cromer starb Anfang September 2007, dreißig Jahre nach der Gründung von MCM, an den Folgen einer Aorta-Operation. Man darf ruhig sagen: am gebrochenen Herzen. Kurz vor seinem Tod fasste er seine bitteren Erfahrungen in den Satz: "Ich hätte nie geglaubt, wie einfach es in Deutschland sein kann, ein solides Unternehmen binnen Kürze in den Ruin zu treiben.“