Samstag, 13. Juni 2009

Gaunerkarriere


Hermann Steinschneider wurde am 2. Juni im Wiener Armenviertel Ottakring geboren. Seine schauspielerische Begabung erlaubte schon dem Vierzehnjährigen, gutes Geld in Wirtshäusern zu verdienen. Bald arbeitete er in diversen Schaustellerbetrieben auf Jahrmärkten und Festwiesen als Glas- und Feuerschlucker, Entfesselungskünstler und Zauberer. Gelegentlich betätigte er sich auch als bestechlicher Skandaljournalist für Revolverblätter. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entdeckte er dann sein eigentliches Talent: die Scharlatanerie. Fortan benutzte er sein schauspielerisches Talent und seinen gewinnenden Charme, um ein staunendes Publikum mit Hypnose und Hellseherei zu verblüffen. Das war genau das, was das desillusionierte Europa nach der Katastrophe von 1918 brauchte. Der kleine Vorstadtgauner gab sich einen geheimnisvoll klingenden Künstlernamen und wurde zum Star. Seine Vortragtourneen waren ausverkauft, die Großen und Mächtigen luden ihn ein, Filmproduzenten und Buchverlage boten ihm hochdotierte Verträge an. Als einer der ersten Unterhaltungskünstler organisierte Steinschneider seine Vermarktung professionell: Er stellte einen Stab von Mitarbeitern ein, versandte „persönliche“ Wahrsagereien an Tausende per Nachnahme, hellseherte in einer regelmäßigen Rundfunksendung und gab eine eigene Zeitschrift heraus. Geschickt verschaffte er sich Vorabinformationen, um Ereignisse öffentlich vorauszusagen, deren tatsächliches Eintreffen seinen Ruhm ins Unglaubliche steigerte. So auch den bis heute unaufgeklärten Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933. Diese Prophezeiung wurde ihm zum Verhängnis. Entweder kannte er die wahren Täter oder diese fürchteten seine „hellseherischen“ Fähigkeiten. Am 7. April 1933 fand man einen Mann erschossen in einem Straßengraben, den die Polizei als Hermann Steinschneider identifizierte und den die Welt kannte als Erik Jan Hanussen.