Freitag, 26. Juni 2009

Gottes Herbarium


Der schwedische Botaniker Carl von Linné (1707-1778) arbeitete tagsüber an der Erforschung von Flora und Fauna. Er führte aber auch ein Nachtbuch. Dem gab er den Titel Nemesis Divina (Göttliche Vergeltung), denn den großen Naturforscher interessierten vor allem Ereignisse und Beobachtungen, in denen er Gottes Wirken zu erkennen glaubte. So zum Beispiel Spukerscheinungen und göttliche Strafen für die Verletzung von Moral und Sitte. Aber auch Wunder wie dieses: „Der Kanzler von Dänemark wird aus Neid des Hochverrats bezichtigt und auf Grund falscher Zeugenaussagen zum Tod verurteilt. In der Nacht vor der Hinrichtung fällt sein Bild von der Wand, aber das Glas zerspringt nicht. Hieraus schöpft er die Überzeugung, dass er nicht geköpft wird. Tatsächlich wird er am nächsten Tag begnadigt.“ Was Linnés Episodenbuch auszeichnet ist der Eifer eines wissenschaftlichen Faktensammlers. Er versagt sich jeden Kommentar. Wie seltene Pflanzen und Tiere legte er seine literarischen Fundstücke und Notizen in einem imaginären Herbarium ab.