Freitag, 22. Mai 2009

Vorsprung


Vor zwanzig Jahren begann der kanadische Psychologe Roger Barnsley zu untersuchen, wie Eliten entstehen. Dazu analysierte er die Listen der besten Eishockeyspieler. Begabte werden in Kanada bereits im Einschulungsalter in Fördergruppen genommen, aus denen dann wieder alljährlich die Besten für intensiveres Training ausgewählt werden. Am Ende der Hierarchie stehen die Topvereine der Oberliga. Barnsley fiel eine Merkwürdigkeit auf. Die Geburtsdaten von 40 % der Spitzenspieler lagen zwischen Januar und März, 30 % waren zwischen April und Juni geboren, 20 % zwischen Juli und September und nur 10% in restlichen Monaten des Jahres. Das war kein Zufall. Nicht nur die Spielerlisten anderer Hochleistungssportarten, auch die Spitzengruppen von ähnlichen Förderhierarchien, darunter Schulen und Universäten, zeigten ein ganz ähnliches Muster. Sind im Frühjahr gezeugte Kinder erfolgreicher? Spielt das Sternzeichen eine Rolle? Die Erklärung ist viel simpler. Kinder von 5-7 Jahren entwickeln sich in einem Jahr relativ schnell. Ein anfangs des Jahres geborenes Kind hat daher gegenüber einem, das erst am Jahresende Geburtstag hat, einen Entwicklungsvorsprung. Es ist reifer, schneller, klüger. Wenn es nun dadurch in die Förderhierarchie kommt, potenziert sich sein zunächst nur kleiner Vorsprung durch das Training und die Anerkennung. Aus Barnsleys Untersuchung ergeben sich viele Konsequenzen. Eine davon ist, dass man Kinder im Alter von 9 bis 10 Jahren nicht jahrgangsweise für den Übertritt ins Gymnasium auswählen sollte. Unser Schulsystem muss sich ändern.