Freitag, 29. Mai 2009

Nachilfe


Die Haizhu-Brücke in der südchinesischen Stadt Guangzhou war seit vielen Stunden gesperrt. Hunderte von Autofahrern standen im Stau. Auch Fußgänger ließ die Polizei nicht über die Brücke. Grund war ein Selbstmordkandidat, der auf dem mittleren Geländerpfeiler stand und sich in die Tiefe zu stürzen drohte. Nach drei Stunden Wartezeit hatte Lian Jiansheng die Nase voll. Er wollte heim, dazu musste er über die Brücke. Er bot der Polizei an, mit dem Mann auf dem Geländer zu sprechen. Doch man ließ ihn nicht durch. Nach vier Stunden riss Lian der Geduldsfaden. Brüsk schob er den Polizisten vor ihm beiseite, stürzte auf den Lebensmüden zu, reichte ihm die Hand und - schubste ihn in die Tiefe. Der Sturz verlief glimpflich, denn längst war unter der Brücke ein Sprungtuch aufgespannt. Lian Jiansheng wurde festgenommen. "Das war das zwölfte Selbstmord-Theater in diesem Monat," rechtfertigte er sich. "Diese Lebensmüden wollen doch nur Aufmerksamkeit, und unsereins kommt nicht weiter. Irgendwann reicht es. Entweder springen oder nicht. Aber vier Stunden auf dem Geländer stehen und ein paar tausend Leute warten lassen? Nicht mit mir."