Samstag, 23. Mai 2009

Verfolgt


Der deutschen Hauspostille für Oberstudienräte, Studienstiftler-Alumnis und Arztwitwen fällt auf, dass "der Intellektuelle" neuerdings "mit Hass verfolgt" wird. Ein Artikel auf der ersten Seite des Zeit-Feuilletons vom 20. Mai führt bittere Klage über die "antiintellektuelle Hetze im Internet". In Blogs und Foren äußerten politisierende Kneipiers, dichtende Verwaltungsangestellte und unbedarfte Programmierer ihre laienhaften Ansichten und verspotteten die Feuilletonisten. Ihr Motiv sei der Neid auf die Klugheit der Gebildeten. "Was zu kompliziert erscheint, wird verhöhnt." Dabei sei doch allein der Intellektuelle dazu berufen, die Kultur zu wahren. Die gehe durch die Demokratisierung der Medien vor die Hunde. Als Kronzeuge wird Heiner Müller zitiert: "Zehn Deutsche sind dümmer als fünf Deutsche." Nun ja, in Müllers DDR waren die Intellektuellen vor zuviel Meinungsfreiheit geschützt. Und in der Zeit, als man Gedrucktem nur in Leserbriefen widersprechen konnte, war es auch im Westen bequemer, von der Kanzel herab dem dummen Volk zu predigen. Müssen wir jetzt Mitleid mit "den Intellektuellen" haben?