Sonntag, 1. Februar 2009

Künstlerpech


Künstler verdienen den Erfolg gar nicht. Denn sie sind nie wirklich zufrieden. Man klopft ihnen auf die Schulter, und sie drehen sich unwirsch um. Alles strahlt, und sie hadern mit sich. Sie sind Stabhochspringer, die sich die 6m-Marke in den Kopf gesetzt haben. Wenn sie 5,32m schaffen, applaudiert das Publikum, aber sie ziehen ein Gesicht. Wieder gepatzt! Zustimmung macht sie nicht sicher, Lob gleitet an ihnen ab, Gutes ist ihnen nie gut genug. Sind sie undankbar? Kokett? Arrogant? O nein. Sie halten sich für Versager. Selbstquälerisch suchen sie das Vollkommene, statt das Mögliche gebührend zu schätzen. Darin liegt ein gutes Maß Überheblichkeit. Die Anmaßung nämlich, das Vollkommene erreichen zu können. Und doch: Man sollte ihnen vergeben. "Ich habe Gott und die Menschheit beleidigt," schrieb Leonardo da Vinci in seinem letzten Lebensjahr, "denn meine Arbeit war nie gut genug." Wenn der Schöpfer der Mona Lisa sich schon schämte, dürfen die Ungenialen mit Fug und Recht zerknirscht sein über ihr Gestümper.