Mittwoch, 11. Februar 2009

Kaffeehauswunder


Ernst Josef Aufricht war ein junger Schauspieler, der mit dem Geld seines Vaters 1928 das Berliner Theater am Schiffbauerdamm erwarb. Es war ein heruntergekommenes altes Haus in der Nähe der Friedrichstraße. Nur ein Wunder konnte es wiederbeleben. Aufricht wollte es mit einer Uraufführung eröffnen. Verbindungen zu etablierten Verlagen hatte er keine, daher ging er ins Café Schlichter, in dem viele Autoren verkehrten.  Tatsächlich saß da in seiner speckigen Lederjacke, Zigarre im Mund, Bert Brecht. Aufricht nahm allen Mut zusammen, stellte sich vor und beschrieb sein Problem. Natürlich hatte Brecht kein fertiges Stück liegen, das auf seine Uraufführung wartete. Aber er erinnerte sich an ein Manuskript, das Elisabeth Hauptmann, die fleißigste  seiner tüchtigen Geliebten und Zuträgerinnen, für ihn angefertigt hatte. Es war eine Übersetzung von John Gay's "Beggar's Opera". In den nächsten Tagen überarbeitete Brecht das Stück, kürzte und änderte da und dort, baute ein paar Gedichte und Nachdichtungen von Villon ein, und fertig war das Libretto zum erfolgreichsten deutschen Musical des 20. Jahrhunderts: Die Dreigroschenoper. Vielleicht sollten Deutschlands Intendanten öfter ins Kaffehaus gehen.