Sonntag, 23. August 2009

Hühnerdiebe


Jede untergehende Branche sucht den Grund für ihr Dahinscheiden in äußeren Umständen. Der Tonträgerindustrie ist noch etwas Besseres eingefallen. Sie zieht die Moralkarte, und das darf man ihr nicht durchgehen lassen. Neuerdings spielt sie sich als Beschützer von Künstlern und Autoren auf, die durch das unerlaubte Herunterladen von Musiktiteln im Internet geschädigt werden. Das ist so, als würde der Hühnerdieb den Füchsen vorwerfen, dass sie Hühner stehlen. Solang die Tonträgerbranche florierte, waren ihr die Interessen von Künstlern und Autoren vollkommen gleichgültig. Im Gegenteil. Sie hat sich am Urheberrecht bereichert, indem sie die Veröffentlichung von Titeln davon abhängig machte, dass sie über Inkassoverlage an den GEMA-Einnahmen partizipieren. Auf die Weise stahlen sie den Urhebern bis zu 50 % ihres Anteils und holten sich einen guten Teil der Gebühren, die sie als Verwerter zu bezahlen hatten, wieder zurück. Auch die Interpreten und (künstlerischen) Produzenten wurden nach Möglichkeit kurz gehalten, etwa durch undurchsichtige Lizenzvereinbarungen und schwer durchschaubare Abrechnungstricks. Es gehört schon Chuzpe dazu, sich jetzt als Verteidiger von Künstlern und Autoren aufzuspielen. Die Leistung der Tonträgerindustrie bestand in den letzten 20 Jahren fast ausschließlich darin, Musikaufnahmen zu vertreiben (oder ihren Vertrieb zu verhindern). Als Vertriebsorganisation ist sie jedoch weitgehend redundant geworden, seit es das Internet und Amazon gibt. Hätte Arroganz und rückwärts gewandtes Marketingdenken sie nicht blind gemacht, wäre es nicht schwer gewesen, die neuen Vertriebswege zu integrieren. Jetzt ist es zu spät. Die alten "Schallplattenfirmen" wird es bald nicht mehr geben. Künstler und Autoren werden überleben. Gegen den Raub ihrer Rechte werden sie sich immer wieder verteidigen müssen. Aber die Räuber von Gestern sind als Bundesgenossen im Kampf gegen die Räuber von Heute und Morgen entbehrlich.