Donnerstag, 13. August 2009

Bettelkomponist


In dem oberbayerischen Sozialdorf Herzogsägmühle, das die Diakonie betreibt, lebt der amerikanische Komponist Gordon Sherwood. Mit 79 Jahren blickt er auf ein wahrhaft bewegtes Leben zurück, das verheißungsvoll begann. Schon mit 28 erreichte es einen Höhepunkt, als in der New Yorker Carnegie Hall Sherwoods Erste Symphonie uraufgeführt wurde. Danach reiste der Komponist ruhlos durch die Welt. In Hamburg, Rom und Nairobi erhielt er Auszeichnungen, in Israel saß er wegen Diebstahls im Gefängnis, in Beirut war er Barpianist, aus London wurde er wegen fortgesetzten Bettelns ausgewiesen und in New York hauste er im Obdachlosenheim. Auch glücklich verheiratet war er, bis er seine Frau in Kenia in eine Bibiothek schickte und ihre Abwesenheit benutzte, um zum Flughafen zu fahren und nach Indien zu verschwinden. „Sie hatte verlangt, ich solle einen normalen Beruf ausüben und das Komponieren lassen“, begründet Sherwood seine Flucht. Für ihn gab es nur die Musik, und da sie ihn nicht ernährte, schlug er sich mit Bettelei und Bagatelldiebstählen durch. Auch unter den Stadtstreichern war er freilich ein Sonderling. An Selbstbewusstsein fehlte es ihm nie. Einem Journalisten, der vor zwei Jahren nach Herzogsägmühle kam, stellte er sich so vor: „Ich bin der berühmteste aller unbekannten Komponisten.“