Montag, 23. November 2009

Bildungsnot


"Stätten der Bildung waren für Nietzsche der "Gegensatz" zu Anstalten der Lebensnot. Orte, die nicht von den Dürftigkeiten und Bedürftigkeiten des Lebens geprägt sind, Orte der Freiheit deshalb, weil diejenigen, die sich dort als Lehrende und Lernende befinden, frei sind vom Zwang zur Nützlichkeit, zur Praxisrelevanz, zur Lebensnähe, zur Aktualität - mit einem Wort: Es waren die Orte der Muße. Damit hatte Nietzsche der Schule ihren ursprünglichen Wortsinn zurückgegeben. Schule lässt sich über das lateinische schola auf das griechische scholé zurückführen und meinte ursprünglich ein Innehalten in der Arbeit. Die Weisheit der Sprache ist oft eine größere, als sich unsere sprachvergessene Kultur träumen lässt: Eine Schule, die aufgehört hat, ein Ort der Muße, der Konzentration, der Kontemplation zu sein, hat aufgehört, eine Schule zu sein. Sie ist eine Stätte der Lebensnot geworden. Und in dieser dominieren dann die Projekte und Praktika, die Erfahrungen und Vernetzungen, die Exkursionen und Ausflüge. Zeit zum Denken gibt es nicht."
Konrad Paul Liessmann (entdeckt von Karel Ricanek)